So sehe ich die Welt durch den Sucher meiner Kamera
Ich sehe die Welt durch den Sucher wie durch den Spalt eines Theatervorhangs: Kleine Szenen, in Rahmen gefasste Tragödien, Komödien oder Monologe. Durch eine Kamera zu blicken ist eine einzigartige Selektion der Wirklichkeit. Es bringt Ordnung in das Chaos, konzentriert meinen Blick auf das Wesentliche und lässt keinen Raum für Unnötiges. Selbstzweifel, falsche Perfektion oder die altbekannte Angst, sich lächerlich zu machen, bleiben außen vor.
>>Hier liegt die Kunst der Fotografie<<
Es ist ein kleiner Mikrokosmos, in dem ich die Welt so sehen kann, wie ich sie sehen will: Mit einem liebevollen Blick auf die Menschen, auf ihre Schönheit und ihre ganz eigene Wirkung. Jeder Mensch hat etwas Schönes; manchmal ist es etwas ganz Unerwartetes wie ein Lächeln, ein verträumter Blick oder eine Zerbrechlichkeit, die nur für mich, das Glas meines Objektivs und den Sensor meiner Kamera offenbar wird. Hier liegt die eigentliche Kunst der Fotografie: Mach dich auf die Suche nach dem Wunder, und du wirst es finden.
Natürlich bringt eine derart romantische Vorstellung auch Probleme mit sich - man muss die Menschen vor der Kamera erst einmal für diese Idee gewinnen. Die wenigsten glauben nämlich, dass es ausgerechnet bei ihnen etwas Schönes zu sehen gäbe. Aber nach so vielen Jahren und tausenden Menschen kann ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen: Wenn du bereit bist, es zu zeigen, dann wirst auch du es entdecken.
>>Bilder sind die eine Sache<<
Bilder sind die eine Sache. Ich finde sie wichtig; sie sind Zeitzeugen, Botschafter, Instrumente, Beweismittel, Liebeserklärungen und so vieles mehr. Sie überdauern die Zeiten und vor allem uns und sind in ihrer Eigenschaft, von dem Moment ihrer Entstehung an immer wertvoller zu werden, einzigartig. Krisensicher und ohne den Einfluss einer verrückten Welt werden sie von einem schönen Anblick zu einer Erinnerung bis hin zu einem Vermächtnis. Denn hinterlässt man ein Bild von sich, wird man nie ganz vergangen sein. Schön, wenn man entscheiden kann, welche Fotografie es ist, die von uns erzählen wird.
Vielleicht nehme ich deshalb meinen Beruf so ernst und halte ihn für etwas Wertvolles. Doch neben den Bildern entsteht noch etwas viel Wichtigeres: Ein neues Selbstbild, ein aufregender, unverbrauchter Blick auf sich selbst - wie eine neue Bestandsaufnahme oder ein mutiges Betrachten von etwas, an dem unsere Augen viel zu oft mit Scheu vorübergleiten. Was, wenn ich mir nicht gefalle? Oh, was, wenn du liebst, was du siehst?
Kannst du ermessen, was geschieht, wenn du dich am Ende doch mal liebst? Wenn du wie durch einen Spalt in einem Vorhang, beinahe heimlich und diskret, dich völlig neu entdeckst? Dich, die wichtigste Person in deinem Leben, unverkrampft, ehrlich und in ihrer besten Version - durch die Augen eines Künstlers, der die Menschen liebt.